
Ein Rattenschwanz an Problemen und was das Müll Museum dagegen tut
Das Beet auf Hamza Aslans (Name geändert) Terrasse ist seit ein paar Tagen kahl. Er hat die Pflanzen herausgerissen, in Mülltüten gepackt, entsorgt. Zu groß ist das Rattenproblem, zu wohl fühlen sich die Tiere im Hof der Soldiner Straße 102 und 103. Ratten gelten als menschenscheu, hier wirkt es so nicht. „Letztens gehe ich auf den Balkon, es waren überall Ratten“, erzählt er. „Die kommen bis vor die Tür. Das ist unerträglich.“
Im November vergangenen Jahres veranstaltete das Müll Museum Berlin e.V. den Müllgipfel mit allen wichtigen Akteuren, inklusive Bezirksamt und Senatsverwaltung. Seitdem gibt es die „AG Ratten und Getier“, die sich damit beschäftigt, dass Menschen und Ratten sich im Soldiner Kiez zu oft begegnen. Der Befall der Soldiner Straße 102/103 ist ein krasses Beispiel. An manchen Abenden kann man von den Balkonen bis zu 20 Tiere gleichzeitig beobachten. Anwohner erzählen, dass sie der Degewo schon vor Monaten geschrieben haben. Passiert sei wenig. Einige Rattenfallen wurden aufgestellt. Hamza Aslan hat die großen Rattenlöcher vor seiner Wohnung selbst mit Schlamm aufgefüllt. Keine nachhaltige Lösung, aber besser, als nichts zu tun.
Nicht nur Aslan arbeitet daran: Das Müll Museum hat Mieterinnen und Mieter, die Degewo, das Bezirksamt und das Gesundheitsamt in einem Pilotprojekt zusammengebracht. Finanziert wird das über das Aktionsprogramm Saubere Stadt des Senats. Das Problem muss eingedämmt werden, darin sind sich alle einig. Nur wie?
Bei einem ersten Treffen der „AG Ratten und Getier“ im Mai hatten Mieterinnen und Mieter über mögliche Lösungen beraten. Der Müll ist ein Problem, das ist klar. Er zieht die Ratten an, sie klettern in die Tonnen, nagen sich im Notfall heraus. Im Hof der Soldiner Straße 102/103 gibt es eine Art Käfig, in dem die Mülltonnen stehen, daneben ist oft Sperrmüll. Es gibt zu wenig Tonnen für die Häuser, zwei Hausmülltonnen, eine gelbe Tonne und zwei Biotonnen. Für vierzig Wohnungen.
Seit das Rattenproblem im Hof explodiert ist, trauen sich viele nicht mehr auf den Müllplatz. „Du kannst ein 2-Meter-Typ sein, 130 Kilo schwer, trotzdem hat man jedes Mal Bedenken“, sagt Aslan. Neulich seien ihm beim Müll rausbringen 20 Ratten entgegengekommen. „Aus Angst vor den Ratten schmeißen viele Leute den Müll einfach über die Absperrung“, sagt Aslan. Doch Müll, der auf dem Boden herumliegt, ist für die Ratten besonders attraktiv.
Die Ratten bleiben nicht beim Müll. Sie klettern in Fahrradanhänger und Lastenradkörbe, huschen in den Flur. Im Erdgeschoss trauen sich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht, die Fenster zu öffnen. Nachts hört man sie, wenn sie streiten oder im Müll klappern. Man riecht sie.
Beim zweiten Treffen der „AG Ratten und Getier“ sind die Degewo, das Bezirksamt und das Gesundheitsamt dabei. Im Rahmen der Kampagne „Mitte macht sauber“ soll das Rattenproblem im Hof der Soldiner Straße 102/103 möglichst nachhaltig bekämpft werden. Die Mieterinnen und Mieter haben Vorschläge: mehr Mülltonnen, einen abschließbaren Müllplatz, einen Rückschnitt der Kletterpflanzen, und, nicht zuletzt, eine Umgrabung des Hofes.
Vieles liegt in der Verantwortung der Degewo. Sie ist dafür zuständig, Schädlingsbekämpfer zu beauftragen und weitergehende Maßnahmen zu koordinieren. Ein abschließbarer Müllplatz zum Beispiel wirkt angesichts eines dann notwendigen Austauschs der gesamten Schließanlage nicht schnell umsetzbar. Eine Umgestaltung samt Umgrabung wäre denkbar, dann muss das Müllproblem aber nachhaltig angegangen werden. Die Mieterinnen und Mieter wären in der Pflicht, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Mehr Mülltonnen könnten schneller umgesetzt werden.
Dr. Lukas Murajda ist Leiter des Gesundheitsamts im Bezirksamt Mitte. Er erklärt, dass das Gesundheitsamt die Ratten selbst nicht bekämpfen darf. Dabei habe er die Leute dafür, die, die wüssten, wie es gelingen kann, ohne zum Beispiel stärkeres Gift einzusetzen. Er sagt es nicht explizit, aber er wäre wohl einverstanden, wenn sein Amt mehr Befugnisse bekäme. Damit, so die Hoffnung, könnte die Bekämpfung des stadtweiten Rattenproblems besser koordiniert werden.
Während er erzählt, sieht man hinter ihm zwei Ratten durch den Hof jagen, sie quietschen. Murajda sagt, dass das Rattenproblem in diesem Hof besonders groß sei. Sie kommen nicht nur, um den Müll zu durchforsten, sie wohnen in diesem Hof. Trotzdem sei eine richtige Müllentsorgung unerlässlich, um die Ratten zu reduzieren. Sein Amt könne die von der Degewo beauftragten Schädlingsbekämpfer durch Expertise unterstützen. Immerhin.
Keine Ratten, das wissen auch die Anwohner, sind eine Utopie. Weniger Ratten aber wären möglich. Ein paar Tage nach dem zweiten Treffen der „AG Ratten und Getier“ wird es im Hof laut. Die Schrottfahrräder, die von den Ratten als Schutz genutzt wurden, werden entsorgt. Es tut sich was im Soldiner Kiez.


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