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MuellMuseum_Soldiner_Kiez_Schrott

Wer seinen Bauschutt selber entsorgen muss oder will, dem eröffnen sich nicht nur Extrakosten, sondern auch ein irres System von Schrott und Schutt. Eine Nachbarin aus dem Soldiner Kiez berichtet über ihre Irrfahrt vom BSR-Hof zum Schrottplatz. 

 

Schrott und Schutt (aus der Zwischenwelt)

 von Johanna Keller 

05.05.2021

Im Müll Museum hängt eine Fotografie von Benjamin Renter, die die Dämmplatten eines Miethauses im Soldiner Kiez zeigt. Dämmplatten gehören zum Sondermüll und das brachte mich auf die Idee, folgende Geschichte zu erzählen:
Letzten Herbst hatten wir endlich einen Deal mit unserem halbokayen Vermieter: Er bezahlt eine neue Dusche, ein Waschbecken, ein Klo und die Handwerker. Wir schaffen dafür die vergammelte Badewanne und das ganze andere Zeug weg, auch die Fliesen an einer Wand. Man muss dazusagen: Die Rohre hinter dieser Wand waren krass verkalkt. Schon lange. Da kam kaum noch Wasser durch. Beim Duschen war das nervig, auf dem Klo aber noch viel ekliger. Das Bad kurz und klein zu hauen, hat richtig Spaß gemacht. Euphorisiert haben wir den ganzen Schrott und Schutt dann in einen Billo-Transporter geschleppt und sind zum BSR-Hof. 

Der Typ in Orange hat die Ladeklappe aufgemacht, das Zeug angeguckt und den Kopf geschüttelt. „Das nehmen wir nicht.“ – „Gar nicht?“ – „Nein, davon nicht. Das sind gewerbliche Abfälle.“ Er gab uns eine Liste mit Deponien und sah irgendwie traurig aus, aber das hatte vielleicht nichts mit uns zu tun. 

Die Fahrt zum nächsten Ort auf der Liste dauerte. Die Straßen wurden immer schmaler. Mehrmals knapp davor, einen Wagen zu streifen, schwitzten wir in unserem Transporter fast so sehr wie beim Entrümpeln vorher. Außerdem brachte uns die Extratour über das Kilometerlimit, wir mussten also später noch tanken. 

MuellMuseum_Soldiner_Kiez_Baugeruest

Am Ziel war es dann sehr staubig. Überall türmten sich Schrotthaufen. Das Büro mit dem Boss der Firma war in einem Container auf riesigen Stelzen. Alles wirkte mindestens so heruntergekommen wie in „Mad Max“, auch die Kundschaft: Fußballprolls mit Stiernacken, Säufer mit Gespenstergesichtern. Alle schienen sich schon ewig zu kennen. Es schien hier überhaupt nur Sonderdeals zu geben in dieser Zwischenwelt. Auch für uns: Für die zerhauenen Gipsplatten mit den Fliesen machte der gut gelaunte Boss uns einen Freundschaftspreis von 20 Euro. Wir schluckten. „Aber das hier …“, meinte er mit Leidensmiene, und nahm ein Stück von dem Styropordings in die Hand, in dem die alte Badewanne gelegen hatte – „das hier macht 40 Euro“.

Wir müssen entgeistert geguckt haben. „Regulär liegt der Preis für die Entsorgung bei 46 Euro plus Mehrwehrtsteuer“, erklärte er. „Für so ein bisschen Plastik?“ Das vom kleinsten Windhauch weggeweht wird? 55 Euro?

„Eure Entscheidung“, meinte er verständnisvoll. „Es gibt viele, die hier wieder wegfahren.“ Er leite ein privates Unternehmen, das mit der BSR nichts zu tun habe und daran nichts verdiene. „Überlegt es euch.“

Hättet ihr euer letztes Geld diesem Typen gegeben, damit er den Chemiedreck irgendwo verschwinden lässt? Was machen Leute ohne Fahrerlaubnis? Sie könnten es irgendwo am Straßenrand liegen lassen, wie es auch im Kiez zu oft passiert. Besonders die grauen Flächen nach Reinickendorf
und Pankow hin, werden stark verschmutzt. Oder in Portionen, vielleicht in Tüten, in ihre Mülltonne stecken. Um beides müsste sich wenigstens die BSR darum kümmern.